Am Wochenende besuchte ich mein zweites BarCamp. Dieses Mal ging es etwas weiter als nach Offenburg, nämlich in die Landeshauptstadt Stuttgart. Der Freitagabend verlief, wie ein typisches Get-Together eben verläuft, von daher starte ich gleich mit der Dokumentation der Sessions.
Die erste Session, die ich besuchen durfte, hieß Corpopedia - Wikipedia im Unternehmen und wurde von Heiko Wöhr von mindXchange gehalten. Ich hatte ihn bereits vor Jahren auf einem Wissensmanagement-Seminar der MFG (Raumsponsor des BarCamps) gehört und hatte mich im Vorfeld des Camps gewundert, warum er nicht auf der Teilnehmerliste stand. Nach einer Nachfrage meldete er sich spontan an und hielt auch gleich seine erste Session:
Organisatorische Grundlagen
Zuerst wurden die derzeitigen Probleme der Wissensweitergabe in Unternehmen analysiert:
- Transparenz ist Grundlage von Kooperation
- Kommunikationshierarchien filtern bereits Kooperation
- Jeder gibt nur Wissen weiter, wenn er dazu aufgefordert wird.
- Wissensverteilung erfolgt durch Weiterleitung von E-Mail-Anhängen
- Mitarbeiter haben ein Problem damit, beim Lesen oder Schreiben von Artikel beobachtet zu werden
- Dokumente werden erst veröffentlicht, wenn sie 200% fertig sind
Dies macht einen Paradigmenwechsel nötig, der aber sehr lange dauern kann. Bevor dieser Prozess jedoch nicht läuft, hat die Einführung von Wikis in Unternehmen keinen Sinn.
Einführung von Wikis
Nun ging Heiko auf die Einführung von Wikis in Unternehmen, besonders anhand des Beispiels IBM ein. Dort kann jeder per Knopfdruck ein Wiki erzeugen, was dazu führt, dass dort ca. 8000 Wikis existieren. Diese 8000 Wikis haben allerdings größtenteils nichts miteinander zu tun. So wird den Leuten allerdings ermöglicht, jederzeit ein Wiki zu errichten und sei es nur für die Zusammenarbeit in einem kleinen Projekt.
Wichtig bei der Einführung ist das Erzielen sog. Quick wins, also schneller Erfolgserlebnisse. Um dies zu realisieren empfiehlt Heiko beispielsweise das Anlegen eines Glossars, in dem alle firmenrelevanten Abkürzungen erklärt werden. Auf jeden Fall muss den Leuten gezeigt werden, dass es auch ok ist, nur drei Halbsätze zu schreiben, falls sie jemandem weiterhelfen können. Bevor ein Wiki jedoch auf die Allgemeinheit losgelassen werden kann, müssen unbedingt bereits sehr viele Inhalte darin stehen, denn "ein leeres Wiki ist unsexy". Ziel soll es später sein, das Wiki als zentralen Einstiegspunkt für die Mitarbeiter zu etablieren, von dem aus, sie andere Informationsquellen erreichen.
Dies hebt auch gleich die strategische Bedeutung der Plattformauswahl hervor. So reiche es, laut Heiko, eben nicht, einfach einen Featurevergleich anhand der WikiMatrix durchzuführen. Man müsse sich vielmehr der strategischen Folgen einer solchen Entscheidung bewusst sein. Er schwört (wie auch ich) auf MediaWiki, die Software hinter Wikipedia.
Pimp my MediaWiki
Wichtig neben der Auswahl der Software ist es vor allem, den Community-Aspekt zu berücksichtigen (vgl. dazu auch den Bericht der Session BarCamp Offenburg: Enterprise 2.0 - Alternativen zu E-Mail). So erzählt er von der Erweiterung MindXUniversity, die sein Unternehmen vor einigen Jahren für MediaWiki geschrieben hat. Frei nach dem Motto "Inhalte führen Menschen zusammen" sieht man dort im Artikel schon die Autoren und Leser des Artikels und kann sich anzeigen lassen, welche Artikel diese Personen noch bearbeitet bzw. gelesen haben. So wird aus einem "leblosen Wiki-Artikel" ein Meeting-Point für Leser und Autoren, der auch in der Lage ist, Personen mit sehr speziellen Interessen zusammen zu bringen. Leider ist die Erweiterung nicht zur aktuellen MediaWiki-Version kompatibel.
Ein weiteres Produkt der Arbeit von mindXchange ist das Projekt Pranger, das ebenfalls eine sehr kreative Modifikation von MediaWiki darstellt. Dort können Leute ihre Meinung äußern und Missstände anprangern, aber sachlich.
Natürlich wurde auch die Erweiterung vorgestellt, die es ansatzweise vermag, MediaWiki in Richtung Semantic Web zu transformieren: Semantic MediaWiki. Grundlage hierfür sind Links, die von Maschinen gelesen werden können. Dies geschieht, indem Beziehungen zwischen Ursprung und Ziel des Links beschrieben werden, die danach ausgewertbar sind und zwar automatisch.
mindXchange arbeitet derzeit am Open-Source-Projekt Corpopedia, das auf die Entwicklung einer Wiki-Software aus Basis MediaWiki abzielt, die auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten ist. Die Vorgabe des Auftraggebers für dieses Projekt war die Schaffung von "XING fürs Unternehmen". Wöhr sieht das Hauptziel zusätzlich in der Maschinenlesbarkeit der Inhalte. Für das Projekt werden noch Closed-Beta-Tester gesucht, sowie konzeptionelle und technische Unterstützung.
Confluence
Gegen Ende erfuhren wir, dass es sich bei den Knopfdruck-Wikis der IBM um Instanzen von Confluence, einer weiteren Wiki-Software handelt. Sie bietet derzeit noch mehr Usability als MediaWiki ist und ist laut Heiko Marktführer auf dem Bereich der kommerziellen Wiki-Software. Es wurde allerdings auch klar, dass dieses Produkt nicht den ganzen Weg des Paradigmenwechsels mitgeht. So ist es beispielsweise möglich, Artikel zu Word-Dokumenten zu exportieren, mit denen die Nutzer einfach besser umgehen können. Sessionteilnehmer Martin Koser wiederum schimpfte auf das einfache Handling beim Dateiupload, das Confluence bietet. Damit seien die Nutzer immer dazu verführt, Worddokumente hochzuladen, statt Artikel zu schreiben.
Einig waren sich beide jedoch darin, dass Nutzer gerne wenige Funktionen angeboten bekommen wollen, um nicht überlastet zu werden. Hier liegt vermutlich die Stärke von Confluence im Vergleich zu MediaWiki. Diesen Ansatz vertreten auch die oben erwähnten Modifikationen und Erweiterungen der Software von Heiko.
Offene Fragen
- Gibt es noch weitere Extensions für MediaWiki gibt, die die Benutzeroberfläche auf das Wesentliche reduzieren?
- Wer hilft mit, den Wikipedia-Artikel zu Confluence zu retten?
Varia
- Martin: Man sollte ruhig auch Kritiker/Skeptiker in das Projektteam aufnehmen. Wenn man dann sogar diese Personen vom Nutzen des Wikis überzeugt hat, gelingt einem das auch mit jedem anderen.
- Über Extensions, wie CustomEdit kann man in MediaWiki Masken erzeugen, über die der Nutzer sehr leicht mit strukturierten Daten arbeiten kann.
Kommentar (1)
Aufgenommen: Feb 17, 00:33